Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T24

Das Trampen von rund 350 Kilometern auf deutschen Autobahnen machte mir da absolut keine Schwierigkeiten. Würzburg ist voll von mitnahmebereiten Studenten. Danach ebbte der Kontakt nach vereinzelten Briefen dann ein wenig ab, bis ich Peter nach etlichen Jahren unverhofft in Köln wiedertraf. Ich jobbte als Sportschuhverkäufer in einem kölner Sportgeschäft und Peter kam überstürzt herein, um sich nach Treckkingschuhen zu erkundigen.

Er erkannte mich nach all den Jahren nicht; zu groß war die Veränderung, die ich durchlaufen haben musste. Aber ich hatte ihn wiedererkannt.  Ich sehe noch heute sein Gesicht, als ich seinen Namen rief. Niemand von seinen Freunden und Eltern wusste, dass er gerade in Köln war. „Mann, aus dir ist ja ein richtiger Mann geworden“, waren seine ersten Worte. Er machte mal wieder einen Alleingang wegen einer Frau, in die er unsterblich verliebt war. Jetzt wollte er nur schnell noch einkaufen, um dann nach Lima zu fliegen und sie zu besuchen. Ja, ja, Frauengeschichten. Das sind die Geschichten, die die Männer umbringen. Er war leider so in Eile, weil er scheinbar noch eine andere Freundin in Köln mit seinem Besuch beglücken wollte. Armer Peter. Hat das Studium nichts geholfen? Was hilft schon gegen die Liebe? Bestimmt nicht das Wissen von der Liebe. Wissen schützt vor Liebe nicht, oder wie ging der Spruch? Vielleicht braucht ein Mann einfach doch mehr als eine Frau um glücklich zu sein- genetischer Fluch oder hormoneller Überfluss?

29.09.84

Lissabon (Portugal) Peter ist inzwischen wohl schon zu Hause, während ich alleine weiterreise und nun in Lisboa angekommen bin und mich von meinem Tramp-Eifer (Salamanca-Lissabon in 12 Stunden) erhole. Ich musste schnell feststellen, dass ich wieder allein reise. Nicht nur an den Zimmerpreisen (Einzelzimmer sind erheblich teurer als Doppelzimmer), sondern auch an der Unruhe merkt man es ganz deutlich. Zu Zweit lässt sich doch erheblich unbeschwerter Reisen als allein. Allein muss man jede Sekunde hellwach sein und immer ein wenig misstrauisch bleiben, das strengt ganz schön an.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T23

27.9.84

Peter und ich waren gestern dank ungezählter „Pina Colladas“ ganz gut drauf. Vielleicht war das der Grund dafür, dass wir zum ersten mal ein paar spanische Mädels haben lachen sehen. Das beruhigte uns übrigens sehr, denn wir hatten schon die Befürchtung, dass die heißblütigen Spanierinnen ihren kalten Stolz nie ablegen würden.

Peter war in Hochform, so dass er im Lokal eine Flasche Wein einfach mitgehen ließ. Die Fischsuppe war kalt, versuchte er sich zu rechtfertigen. Es war ein „funny day“ gestern; ich musste Lachen wie schon lange nicht mehr. („Peter, Haare waschen, Du hast Paella gegessen!“oder wie aus einer „Bäckerblume“ eine „Backpflaume“ wurde). Meine Lachmuskeln entspannten sich erst gegen Morgen wieder. Das Mädchen, das da aussah wie Desiree Nosbusch gefiel mir sehr, nicht zuletzt wegen ihrer Grübchen. Sie hatte so ein nettes einladendes Lächeln. Sie war Deutsche -das würde eine Kontaktaufnahme sehr vereinfachen. Aber unser Kontakt lief nur über die Blickebene ab, war dafür aber umso intensiver. Mann o Mann, ich hätte nie gedacht, dass ein  Blick so eine Wirkung haben kann.

Für den Fall der Fälle haben wir einen Plan gemacht, wer zuerst das Zimmer benutzen kann. Letztlich ergibt sich das aber sowieso von allein, meint Peter und ein Bett braucht man auch nicht in jedem Fall dazu.

Ich wäre sehr schlagfertig (auf sprachlicher Ebene) meint Peter. Ich lasse mir von Peter viel über „Rebirthing“ erzählen. Das ist eine Therapie zur Entspannung mit Hilfe von Atemtechniken, die es einem erlaubt, Loszulassen vom Alltag und so verschüttete Gefühle wecken kann. Man wird quasi wiedergeboren, fühlt sich auf jeden Fall aber wie Neugeboren danach. So ein Psychologiestudium könnte mich schon reizen, obwohl ich mittlerweile denke, dass jeder der Psychologie studiert irgendwie selber wissen möchte, wie seine eigene Klatsche denn nun fachterminologisch genannt wird und ob dagegen etwas zu machen ist. Na ja, faszinierend ist das Thema Psychologie allemal. Und irgendwo hat doch jeder von uns eine Klatsche, oder?

Peters Leitsatz war immer: „Je mehr Du etwas versuchst zu unterdrücken, desto schlimmer kommt es irgendwann hoch!“ Recht hat er. Rauslassen sollte man alles, was einen so bedrückt, bevor es irgendwann und unverhofft zum falschen Zeitpunkt hochkommt.

Der Abschied von Peter fiel mir einigermaßen schwer, da änderte auch das Austauschen der Adressen und der oft zitierte Satz „Wir sehen uns wieder und halten Kontakt“ nichts. Zu sehr waren wir auf der gleichen Wellenlänge und verstanden uns einfach gut. Da machte es auch nichts aus, dass Peter ein gutes Stück älter war als ich. Nach meiner Rückkehr lud mich Peter auch prompt zu einer Studentenfete nach Würzburg ein, auf der ich auch einiges erleben durfte aber dies ist eine andere Geschichte….

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T22

Aus unseren oft nächtelangen Diskussionen habe ich viel gelernt über das „unbekannte Wesen“ Frau. Peter hat da scheinbar reichlich Erfahrung gemacht, die ich noch vor mir habe. Ich freue mich schon darauf, denn es kribbelt, wenn ich an meine Zukunft als Mann denke. Ich weiß zwar noch nicht genau, was da kribbelt, aber das Gefühl an sich ist schön. Zukunft ich komme!

Ich habe mich in letzter Zeit von haufenweise Tortilla, Calamares, Paella, Bocadillos, Tapas usw. gütlich genährt, so daß die Hose nicht mehr ganz so rutscht. Als Zwischenbilanz bin ich um 750 DM ärmer, aber um etliche Erfahrungen reicher geworden. Leider hat mein Walkman das Zeitliche gesegnet, so daß er mit den vielen Musikkassetten zusammen nur noch störender Ballast ist.

Wegschmeißen möchte ich das gute Stück aber nicht, denn sicher lohnt sich für das teure Ding noch eine Reparatur.

Peters finanzielle Lage wird langsam kriminell. Etwa so kriminell wie der Schwarzmarkt auf dem er seinen Fotoapparat zu Geld machen möchte. Finstere Gestalten, die für einen Hunderter ihre Großmutter verkaufen würden, waren da. Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl, aber es machte auch Spaß in den Abgründen der Menschheit zu waten. Durch dunkle Gassen hat man uns geführt. Zum Glück waren wir zu zweit und ich hatte für den Notfall mein Taschenmesser mit dabei. Natürlich war mir klar, daß ich wahrscheinlich im Ernstfall nicht  die Zeit gehabt hätte, es wirklich aufzuklappen. Aber man fühlt sich irgendwie wohler damit. Ich versuchte, meine finsterste Mine aufzusetzen, um die Jungs abzuschrecken. Schließlich wollte ich ihnen in nichts nachstehen. Ich zweifle heute stark daran, ob mir das gelang. Peter diskutierte für meinen Geschmack zu lange mit diesen Typen.

Vielleicht sollte ich einfach mal gucken gehen. Überall quatschen sie dich an, ob du „choclate“ willst? Gemeint ist hier die Schokolade (Hasch), die man rauchen kann und die dich auf phantastische Reisen in dein innerstes ich schickt. Ich bin einigermaßen erleichtert, dass wir von diesem Markt heil zurückgekehrt sind.

Peter hat zwar nicht viel Geld für seinen neuen Fotoapparat bekommen, aber für die Rückfahrkarte mit dem Transalpino müsste es reichen. Als kleines Bonbon hat er ein bisschen Schokolade bekommen. Alle Achtung! Der Geldmangel ließ Peter auch schnell die Idee verwerfen, noch eine Woche dranzuhängen. Schließlich warteten auch noch diverse Prüfungen auf ihn. Aber das wäre für Peter kein ausreichender Grund gewesen.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T21

In Salamanca gibt es viele deutsche Studiosi, die hier studieren möchten. Einige von ihnen führen sich furchtbar arrogant und hochnäsig auf. Man erkennt sofort, wer Deutscher ist. Das Gehabe der deutschen Leute ist unverkennbar. Sie versuchen auch nicht sich anzupassen, sollen die anderen sich doch ihnen anpassen. Das wäre ja noch schöner!

Manchmal schäme ich mich richtig ein Deutscher zu sein. In Barcelona z.B. wollte ich in einem Tabakladen Briefmarken kaufen. Da waren schon deutsche Touristen vor mir da, die Postkarten kaufen wollten und kein, aber auch nicht das geringste Wort Spanisch sprachen.

Weder „gracias“ (danke) noch „buenos dias“ (guten Tag) war ihnen geläufig. Sie behandelten den Verkäufer wie einen Deppen“: Lern  doch erst einmal Deutsch, Du Ausländer!“ Sie hatten scheinbar ganz vergessen, daß sie hier die Ausländer waren und als Gast in dieses Land gekommen sind und nicht als Eroberer oder Herrenrasse. Johannes, Peter und ich haben uns heute morgen so gegen 2 Uhr sehr lange darüber unterhalten. Ich bin froh, daß ich Johannes und Peter kennengelernt habe, denn es ist gut zu wissen, daß es noch andere gibt, die so denken wie ich. Das macht Hoffnung.

Peter und ich sind richtige „Machos“ (Weiberhelden, manchmal auch mit Arschloch zu übersetzen) geworden. Das Thema Mädchen, wie sollte es anders sein, war für uns tagelang das Thema Nr. 1. Eigentlich sind wir mehr Spanner als echte Machos, denn mit unserem Verlangen nach einer Frau schaukeln wir uns gegenseitig hoch. Peter hat damit angefangen und ich habe dann eben mitgemacht. Aber das sollte jetzt keine Entschuldigung sein.

Das Thema steckt eben einfach drin in einem Mann und für die menschliche Natur braucht man sich nicht zu entschuldigen, oder? Verstärkend  kommt dazu, dass ich nun Peters  Buch lese „Ich spucke auf eure Gräber“ von Boris Vian. Ziemlich anregend. Peter meint, ich sei schon ganz schön weit für mein Alter und damit hat er sicher Recht. Er ist auch der Meinung, dass ich sehr gut mit sensiblen Frauen zurecht kommen würde. Das bedarf noch einer umfangreichen Untersuchung.

Peter steht auf dem Standpunkt, dass die hässlichsten Frauen die besten Liebhaberinnen seien. Sie würden sich für die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit mit viel Treue und Eifer bedanken. Er Muss es wissen, denn schließlich ist er der Psychologiestudent.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T20

Ja, der Spruch viel mir auch zuerst ein, aber Johannes scheint ganz nett zu sein. Er war letztes Jahr in Portugal an der Algarve, also an meinem nächsten Ziel. Es scheint dort ganz nett zu sein nach seinen Aussagen: keine Hochhäuser, keine deutschen „Neckermänner“ und sonst nur Strand, Meer und nette Leute. Nur für die Engländer wäre es das touristische Ziel schlechthin, weil es für sie sehr billig ist. So gibt es dann auch ganze Horden von Engländern, die ihre bleiche Haut unter der Sonne Portugals rostbraun grillen lassen.

Die andere Seite von Portugal ist die Armut und die daraus resultierende Hoffnungslosigkeit der Menschen. Ich werde an die Algarve fahren und dort mal so richtig ausspannen und versuchen mich von den Reisestrapazen zu erholen. Dann werde ich nach Südspanien (Andalusien) weiterziehen. Wenn ich mich dort umgesehen habe, werde ich nach Hause fahren, denn erstens hat mich das Heimweh gepackt und zweitens ist Herbst doch nicht die richtige Zeit für so eine Reise. Wahrscheinlich werde ich mit dem Zug zurückreisen, denn Trampen kostet in Spanien echt Zeit und vor allem Nerven.

Dazu kommen die vielen Übernachtungen in den Orten, in denen man zwangsläufig hängenbleibt. Summasumarum ist das wahrscheinlich schon der Preis für die Zugfahrkarte. Wenn es nicht schon Mitte Herbst wäre, würde ich noch die Provence nachholen, die ich von meiner Reiseroute ja übersprungen hatte. Nach Marokko fahre ich nun doch nicht, weil ich von Peter und anderen Kollegen schreckliche Geschichten darüber gehört habe.

Peter selbst war schon einmal da. Die bunten orientalischen Märkte von Marrakesch mit dem betriebsamen Treiben der Händler interessieren mich zwar nach wie vor, aber wenn ich nach Marokko fahre dann nur zu zweit und nicht allein. Allein in Marokko ist es einfach derzeit zu gefährlich.

Das ist das, was ich mit Flexibilität meine: man muss einfach so flexibel sein,  seine Reiseroute den momentanen Gegebenheiten anzupassen. Die Reise sollte dann ja eigentlich von Marokko aus mit einem Frachter in die USA gehen. Das dumme ist nur, dass die billige Fahrt mit dem Frachter ziemlich lange dauert und damit die Verpflegungskosten zu einem Problem werden könnten.

Ich denke mir also, dass es im Augenblick günstiger ist nach London oder Luxemburg zu trampen und von dort aus in die USA zu fliegen. Das ist zum einen günstiger und zum anderen nicht so anstrengend wie drei oder vier Wochen auf einem Frachter in einem Maschinenraum zu verbringen.

Ich bin froh, dass ich jetzt meine innere Ruhe und vor allem meine Reiseroute wiedergefunden habe. Eine Zeitlang wusste ich wirklich nicht mehr, wie und wohin ich meine Reise fortsetzen werde. Nachdem ich meine Reiseroute schon ein paar mal umschmeißen musste, habe ich jetzt den roten Faden wiedergefunden.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T19

Peter liebt die heißblütigen Südländerinnen. Er ist ganz heiß auf die kühlen Mädels. Mir bleibt das zu der Zeit noch völlig unverständlich. Ich stehe mehr auf ein nettes Lächeln mit möglichst breitem Mund und als Sahnehäubchen Grübchen. 

Peter und ich waren gestern abend im Kino und haben uns den Film“Gremlins“ von Steven Spielberg angesehen. Diese kleinen gefräßigen Wollknäuel sind so eine Art ET auf Teddybärebene. Seit ich mit Peter zusammen unterwegs bin, habe ich wieder regelmäßiger gegessen, so daß sich meine Verdauung wieder erholen konnte. Wir  essen eigentlich jeden Tag sehr gut.  Das und die Fahrt 1. Klasse mit dem Zug hat ein ganz schönes Loch in die Reisekasse gerissen.

In Salamanca ist es um diese Jahreszeit morgens und abends schon verhältnismäßig kalt. Peter will hier vielleicht ein Jahr lang studieren und wollte sich deshalb die Stadt einmal genau anschauen gehen und sich über alles nötige informieren lassen.

Das macht er zur Stunde noch und so finde ich Gelegenheit, mein Reisetagebuch auf dem neuesten Stand zu halten, falls das überhaupt möglich ist. Es ist so viel passiert seit ich von zu Hause weg bin, dass ich Angst habe, alles zu vergessen. Das ist wahrscheinlich ein Grund für das Reisetagebuch. Peter fährt in ein paar Tagen mit dem Zug (Transalpino) zurück nach Hause. Dann werde ich wieder allein weiterziehen Richtung Portugal. Ich muss mal ein bisschen Ferien machen vom Urlaub.

Aber eigentlich ist man auf so einer Tramper Reise nie richtig allein. Es laufen so viele Schweden durch ganz Europa, dass ich ernsthafte Befürchtungen habe, dass überhaupt noch jemand in Schweden selbst ist. Ich merke, wie gut es tut, ein Zimmer zu haben und seinen Rucksack irgendwo sicher zu wissen. Nicht jeden Tag ein neues Zimmer suchen müssen, um sich daran gewöhnen zu können, in welcher Schublade des Zimmers die Socken nun liegen.

Reisestress. Das, was ich am meisten vermisse auf einer Tramper Reise, ist wirklich die Tür, die man hinter sich zuschließen kann. Privatsphäre wird doch zunehmend „Öffentlichkeitssphäre“  bei einer Rucksackreise. Daran sollte man zumindest denken.

Gestern haben wir einen deutschen Studenten getroffen, der in Uruguay und Argentinien gelebt hat und in Brasilien geboren wurde in Deutschland studiert und jetzt in Salamanca studieren möchte.

Johannes ist sein Name. „Der Beste Freund des Mannes ist sein Johannes.“ Sorry, dass musste ich einfach loswerden.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T18

Aber es ging weiter und das war in diesem Augenblick das Wichtigste. Die lausige Unterkunft- ein verlassenes Hotel, das ganz in das Bild der verlassenen Goldgräberstadt hineinpaßt und längst von den Heerscharen von Kakerlaken in Besitz genommen war, lag hinter uns und die Studentenstadt Salamanca vor uns.

Während Peter sich Anregungen bei Boris Vian holte und beim Bücherlesen entspannte, blickte ich aus dem Fenster und dachte noch darüber nach, wie es möglich war, dass so nah an Madrid so eine Einöde herrschen konnte.

Allein die Vorstellung, dass es keinen Bus gibt und nur ein Zug pro Tag fährt auf den man den ganzen Tag warten muss, weil man nicht weiß, wann genau er denn jetzt kommt, ließ mich die Großartigkeit des Anders sein so recht begreifen. In diesen Momenten war ich nicht nur Globetrotter, sondern Pionier der ersten Stunde. So oder ähnlich müssen sich die ersten Siedler im Wilden Westen auch gefühlt haben. Ursprünglich wollte ich nach Santander, aber Peter schwärmte mir so von Salamanca vor, dass ich eine Kursänderung in Erwägung zog und die Vorzüge, einen spanischsprechenden Begleiter zu haben, noch etwas länger genießen wollte.

Auch war es recht tröstlich mal wieder mit jemanden in meiner Landessprache zu sprechen und so richtig rum zu blödeln. Natürlich versuchte ich soviel spanische Brocken wie möglich aufzuschnappen und mir zu merken, denn schließlich wollte ich nicht abhängig werden von Peter mit dem ich mich sehr gut verstand. Wir lagen auf der gleichen Wellenlänge, was unsere Ansichten allgemein betraf, nur bei den Mädchen waren wir uns nicht einig. Wir hatten uns übrigens Tickets 1. Klasse spendiert, so gut waren wir drauf. Oder lag es daran, dass dieser Bahnhofsvorsteher uns weismachen wollte, alle Karten zweiter Klasse wären ausverkauft?

Egal, wir genossen jedenfalls die Geräumigkeit unserer Holzbänke und das leise bis lautere Rattern des Zuges. Was hätte uns bloß mit Tickets 2.Klasse erwartet?

Salamanca ist nicht annähernd so groß wie Barcelona, aber hier gibt es fast nur junge Leute. Salamanca ist eine von den alten, hochpreviligierten Universitätsstädten Spaniens. Die Spanierinnen machen auf mich einen hochnäsigen und arroganten Eindruck wie kaum anderswo in Spanien. Dieser Eindruck ist aber nicht unbedingt richtig, denn es ist ein Eindruck aus deutscher Sicht.

In Spanien sind die Frauen, vor allem die jungen Frauen im Süden, emanzipiert und anscheinend kühl, aber da ist wohl ein Großteil auch die Erziehung daran „schuld“. Die spanische Frau hat eben „stolz“ zu sein. Mir als Deutschen fällt es schwer, den Unterschied zwischen stolz und arrogant zu sehen, deshalb sind die spanischen Frauen für mich irgendwie unnahbar und nicht so sehr begehrenswert. Die meist große Nase verstärkt diesen Eindruck der Strenge noch.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T17

Der 16. Tag

Salamanca (Spanien), den 26.9.84

Die Sonne scheint. Ich sitze im Park von Salamanca und lasse die letzten Tage Revue passieren. Als ich vor einigen Tagen an der Avenida Diagonal in Barcelona stehe und mal wieder meinen Daumen in den Wind halte, treffe ich auf einen Tramper, der ziemlich deutsch aussieht.

Tatsächlich entpuppt sich das Bürschchen als augsburger Psychologiestudent. Sein Name ist Peter. Das einzige, was ich bis dahin von Augsburg kannte, war die Augsburger Puppenkiste. Aber diese Wissenslücke sollte sich bei mir bald, dank der werten Mitarbeit von Peter, schließen.

Wir haben uns dann zusammengetan, sozusagen als Zweckgemeinschaft, die den gleichen Weg hat und sind seit Barcelona zusammen getrampt. Peter wurde so etwas wie mein Mentor. Seine Spanischkenntnisse halfen uns enorm weiter. Ich habe viel von ihm gelernt, vor allem was Mädchen betrifft. Von „Calatajud“ aus sind wir mit dem Zug gefahren, denn in dieser Gegend (ca. 250 Kilometer von Madrid entfernt) sollte es nichts außer Kakerlaken und gleißender Sonne geben, von freundlichen und mitnahmebereiten Autofahrern ganz zu schweigen.

Ein bisschen wirkte das Nest, wie diese verlassenen Goldgräberstädte im Wilden Westen von Amerika, wo diese runden Wattebäuschchen durch die leeren sandigen Straßen wehen und die halb ausgehängte Saloontür im Wind hin und her knarrt. Jeden Augenblick erwartete man irgendwie, dass gleich John Wayne auftaucht und mit einer abgesägten Schrotflinte losballern würde.

Wir hatten uns dann entschieden den nächsten Zug zu nehmen, der kommen würde. Leider fuhr der erst am nächsten Tag! Dafür aber war es der zweitschnellste Zug von ganz Spanien und hatte nur etwa 2,5 Stunden Verspätung. Der hochmoderne und riesige Zug (ganze zwei Wagen lang!) konnte mit Holzbänken aufwarten und brauchte für ca. 300 Kilometer nur etwa 7 Stunden!

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T16

Die Müdigkeit, die sich in  seinen Fahrfehlern seit ein paar Hundert Kilometern manifestierten (Konzentrationsprobleme) würden ihn schon zur Vernunft bringen, dachte ich. Die Natur verlangt ihr Recht.

Die schnurgeraden Autobahnen bei Nacht bieten dem Auge keine Abwechslung, so dass man leicht während des Fahrens einschläft. Endlich in Spanien und endlich auf der“ sunny side of the road“,  so auch der Titel von dem Buch, das mir Freunde mit auf den Weg gegeben  hatten. Sonne pur.

Klaus hat mich irgendwo in der Stadt abgesetzt. Ich muss noch ziemlich lange laufen bis zum <Estacion de Terminal Francia>, dem Bahnhof von Barcelona. Hier kann ich Geld wechseln und mir einen Stadtplan besorgen. Klaus bot mir an, mit ihm und seinen Freunden in Gibraltar zu surfen. Ich war erfreut über das Angebot, aber ich hatte meine Bedenken. Wenn Klaus tatsächlich so weiterfuhr ohne Pause zu machen, dann wären wir nie am Ziel angekommen und ich hatte noch einiges vor. Ich bin einfach noch zu jung zum Sterben. Ich bin müde und wieder mal sehr hungrig.

Eigentlich schade, dass ich die Provence, von der ich mir einiges versprochen hatte, nur bei Nacht und mit 200 KM/h durchfahren hatte. Aber um 5.00h morgens auf der Autobahnabfahrt „Montpellier est“ abgesetzt zu werden, war auch nicht sehr verlockend.

Da spielt eben der Zufall Regie und gibt mir den Weg vor. Barcelona ist sehr laut und hektisch, so die ersten Eindrücke. Autoschlangen, die eine sichtbare Dunstwolke mit sich führen und sich um große alte Denkmäler herum schlängeln sind mir noch gut in Erinnerung. Polizisten mit MP‑Gewehren in dicken Lederstiefeln und braunen Uniformen und das bei 26 Grad im Schatten. Ich bin selbst viel zu dick angezogen. Als erstes ziehe ich mir die Jacke aus, verstaue sie im Rucksack und kremple meine langen Hemdsärmel hoch. Dann ziehe ich meine dicken Wanderstiefel aus und tausche sie gegen leichteres Schuhwerk. Die Sonne tut unendlich gut. Ich bin sehr müde und beschließe mit dem gerade erstandenen Straßenplan zum Hafen hinunter zu gehen um ihn dort zu studieren. Mein erster Wunsch ist ein Dach über dem Kopf zu finden für die Nacht. Mein Stadtführer hilft mir dabei.

Die Schiffe schaukeln im leichten Wellengang des Meeres und die sommerliche Luft lässt mich zusammen mit den Lichtreflexen auf den Wellen beim Suchen eindösen. Der Schlaf ist flach aber wohltuend. Zu groß ist die Angst, zu versäumen, wie jemand sich mit meinem ganzen Hab und Gut aus dem Staube macht. Ich habe es mir deshalb zur Angewohnheit gemacht, auf meinen Sachen zu liegen, bzw. den Rucksack mit der Parkbank so zu verschnüren, dass ein schnelles wegziehen (ohne mich dabei zu wecken) unmöglich ist. Schließlich möchte man dem Dieb ja  wenigstens  noch  hinterherwinken, um zu sehen, wer künftig  seinen Lieblingspullover trägt.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T15

Es ist spät, also werde ich jetzt Lebensmittel und Seife einkaufen, bevor es wieder stärker regnet. Gleich werde ich mich wieder einreihen in die vieläugige anonyme Schlange aus Menschen und werde dann vielleicht selbst zu einem Objekt in einem Buch werden, so wie meine Figuren aus diesem Buch an mir vorbeigegangen sind.

Gleich verschmelze ich mit dem scheinbar nie abbrechenden Strom von Franzosen. Noch einmal Luft holen als Individuum und dann los. In ganz Paris scheint es nur eine Handvoll von Lebensmittelläden zu geben. Die Franzosen kaufen selten etwas zu essen ein. Sie gehen viel lieber in ein Straßencafe und lassen sich das Essen vorsetzen. Dagegen gibt es an jeder Straßenecke  einen alten Buchladen. Die Franzosen sind scheinbar hochintellektuell, aber von Büchern wird man nicht satt. Nach einer Stunde Suchen habe ich schließlich eine klitzekleine Epicerie gefunden.

Den ersten Clochard habe ich auch schon gesehen. Metro fahren macht viel Spaß. Zuerst habe ich überhaupt nichts verstanden. Wahrscheinlich zu intellektuell für mich als Ausländer. Am zweiten Tag habe ich fast alles verstanden und zwar so gut, dass ich es sogar wagte, ohne Fahrschein zu fahren. Das sollte man heute wegen der allgegenwärtigen Videoüberwachung tunlichst vermeiden. Die kleinen, flotten Politessen machen sich einen Spaß daraus, süße, kleine, ausländische Tramper mit Bußgeldern  zu beglücken.

Barcelona

Ich bin todmüde nach einem 10 Stunden Non‑Stop‑Lift von Les Mans nach Barcelona. Ich habe nicht schlafen können, weil ich Angst hatte, dass mein Fahrer einschläft und wir beide erst im Himmel wieder aufwachen.

Wir haben viel gesprochen  über das Leben und alles Andere. Klaus ist Deutscher und Arzt. Er will mit seinem Surfbrett auf den Dach noch runter bis Gibraltar, wo er Freunde trifft. Er nimmt das Leben ziemlich locker, hat aber nie Zeit. Nie würde ich  versuchen, nur mit kurzer Pause (fast  Non‑Stop) von Freiburg nach Gibraltar zu fahren. Ich riet ihm dringend dazu, ein Schläfchen zu machen und dann ausgeruht die Reise fortzusetzen. Er wollte es sich überlegen‑ Ärzte!