Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T4

Ich steuerte also Paris an und da Amsterdam, Antwerpen, Brügge und Gent  mit auf dem Weg lagen, gehörten sie zu meiner Route gleich dazu. Von Paris aus sollte es dann nach St. Malo gehen, in ein altes Piratennest direkt am Meer. Der Weg sollte dann fortgesetzt werden mit Orleans, Lyon, Aix‑En‑Provence, Montpellier, Barcelona, Madrid, Santander, Salamanca, Coimbra, Lissabon, an die Algarve, Sevilla, Cadiz und Gibraltar.

Von Gibraltar aus wollte ich mit einem Schiff übersetzen nach Marokko. Die leuchtenden Märkte von Marrakesch mit ihren orientalischen Teppichhändlern interessierten mich sehr. Wie es von da aus weiterging, wusste ich noch nicht.

Aber mir war klar, dass diese feste Reiseroute nur ein roter Faden sein konnte für meine Reise, eine ungefähre Richtung, die aber jederzeit flexibel abgeändert werden konnte. Der Zufall würde meinen Weg schon lenken, davon war ich überzeugt.

Ein bisschen hatte mich die Abenteuerlust gepackt. So ähnlich mussten sich die Glücksritter in Alaska auch gefühlt haben. Schöner Gruß an Jack London. Nach dem Studium von vielen Reisebüchern und Ausrüstungskatalogen, hatte ich endlich meine Ausrüstung zusammen.

Trotz sparsamster Gewichtsverteilung kamen immerhin noch 25 Kg  zusammen, die ich nun durch die Gegend schleppen sollte. Immer und immer wieder durchsuchte ich meine Ausrüstung nach überflüssiger Verpackung und anderen Platz‑ oder Gewichtraubenden Gegenständen. Ich füllte den Inhalt großer Glas‑Flachen in kleine leichte Plastikfläschchen und wurde schließlich zum Meister des Einpacken.

Wenig gebrauchte Dinge kamen nach unten und oft benötigte Sachen wurden griffbereit in die zwei äußeren Reißverschluss-Taschen des Rucksacks verstaut. Was ich allerdings oft benötigen sollte und was nicht, stellte sich erst im Verlauf der Reise heraus, so dass meine Vorüberlegungen zwar nützlich waren aber erst während der Reise zur Geltung kommen sollten. Hauptsächlich dienten sie in diesem Stadium dazu, meine Nerven zu beruhigen und mir zu zeigen, dass ich alles gut vorbereitet hatte. Das war durchaus  angebracht, denn je näher der Tag des Abschieds kam, desto mehr Zweifel kamen mir über den Sinn meiner Reise.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T3

In der Schule habe ich glauben müssen, was man mir über das Leben erzählte.

Aber das waren meist subjektive Meinungen, die ich nicht vorbehaltlos übernehmen wollte. Es gab nur wenige Lehrer, denen ich eine objektive Meinung über das Leben zutraute. Ein Spruch an einer Wand des Schulgebäudes machte mich auf die Problematik des Lehrer‑Schülerverhältnisses aufmerksam:

„Wie kann ich lernen, was Sie wissen, ohne zu werden  wie Sie sind?“ stand da geschrieben.

Wollte ich so werden, wie meine Lehrer, Eltern oder sonstigen Vorbilder? Alle guten und leider  auch  schlechten Lehrer  werden irgendwann einmal zu Vorbildern. Nein, auf keinen Fall wollte ich zu den  Spießbürgern zählen, den Angepassten in unserer Gesellschaft.

Ich wusste nicht genau, was ich werden wollte, aber ich wusste ziemlich genau, was ich nicht werden wollte. Irgendetwas erwartet mich da draußen, das wusste ich genau und das Fernweh wurde immer schlimmer. Unzählige unglückliche Liebesversehen taten ein Übriges um mich hinauszutreiben in die große weite Welt. Ich kramte den alten Atlas meines Vaters hervor und legte mir eine Reiseroute zurecht. Gar nicht so einfach eine Route so willkürlich festzulegen. Zu viele Möglichkeiten gibt es da, wohin man gehen könnte. Gleichzeitig ergriff mich vor dem ausgebreiteten Atlas aber ein Gefühl von Freiheit. Ich konnte hingehen, wo immer ich hin wollte. Ein herrliches Gefühl. Die armen Leute in der  DDR dachte ich damals, welche Einschränkung ihr Leben doch durch die Mauer und das Regime, das diese erbaute, erfahren  musste.

Es gab Städte mit klangvollen und geheimnisvollen Namen, aber auch welche, die mir überhaupt nichts sagten. Manche Namen waren für mich einfach uninteressant. London ist so eine Stadt, die mich nicht neugierig machte. Paris dagegen faszinierte mich allein von meiner Vorstellung über Paris. Die Stadt der Liebe und Revolution. Nirgendwo sonst gibt es diese Leichtigkeit des menschlichen Daseins. Jede Straße erzählt von geschichtlichen Ereignissen und wenn man nachts auf den Boulevards spazierte, würde man mit etwas Glück bestimmt Napoleons Geist auf seinem Pferd durch die Straßen reiten sehen.

Eine Reise mit dem Rucksack um die Welt T2

Ich bin von eher hagerer  Statur, zwar zäh, aber nicht sonderlich mit Muskeln bestückt. Eine Waffe hatte ich mir nach reichlicher Überlegung aus dem Kopf geschlagen, weil die im Ernstfall eher gegen mich verwendet werden konnte.

Abgesehen vom Gewicht, das man mit sich herumzuschleppen hätte, waren da ja auch noch die unterschiedlichen Bestimmungen der einzelnen Länder über Waffen zu beachten. Alles in allem also entschied ich mich für  ein schweizer Taschenmesser, dass auch für weniger feindliche Aktionen wie das Kürzen von Fingernägeln geeignet war. Ansonsten betrachtete ich mein gesundes Misstrauen als besten Schutz vor unvorhersehbaren Schadensfällen. Ich durfte eben keinen Augenblick unaufmerksam sein. Immer auf der Hut vor möglichen Komplikationen. Ich machte es mir zur Aufgabe, mögliche gefährliche Situationen vorherzusehen. Natürlich blieb ein Rest an Angst, aber der konnte auch ganz nützlich sein, wie sich später zeigen sollte.

Allein die Tatsache, dass ich nur mäßig Englisch sprach und sonst keine andere Sprache stellte einen Risikofaktor in meinen Überlegungen dar. Wie sollte ich in wirklich gefährlichen Situationen den Überblick behalten, wenn ich kein Wort der jeweiligen Sprache verstand? In der Schule war mir das Fach Englisch eine Qual gewesen. Vielleicht deshalb, weil ich wegen meiner Zahnspange Schwierigkeiten mit der Aussprache hatte, aber ganz bestimmt deshalb, weil die Lehrer es nicht verstanden, mich für diese Sprache zu begeistern. Schade eigentlich. Ich sollte später noch Gelegenheit bekommen, mein Englisch  in Amerika aufzupolieren. Nun, es kostete mich eine gewisse Überwindung, aber diese Überwindung brauchte es, damit diese Reise zustande kam und es sollte eine Reise zu mir werden.

Das Geld teilte ich in kleinere Beträge und kaufte mir Traveller‑Schecks in Dollarwährung dafür. Einen Teil des Geldes versteckte ich unter der Sohle in meinem Schuh, einen anderen in einer selbst genähten Innentasche meines Hosenbeins. Dann hatte ich noch einen Gürtel mit einem Geheimfach darin.

Meine Hoffnung war, dass bei einem Überfall nicht alle Verstecke auf einmal gefunden werden konnten und mir so immer noch das eine oder andere Versteck mit einer Geldreserve blieb.

Mit dem Daumen im Wind

Eine Reise mit dem Rucksack durch Westeuropa T1

von Mathias Bleckmann

Es passierte im Orwell‑Jahr: 1984. Ich hatte gerade die schweißtreibende Prozedur des Abiturs mit mehr oder weniger Erfolg hinter mich gebracht  und war neugierig auf das Leben. Ich war 18 Jahre alt damals und das, was man als schüchtern bezeichnen könnte. Aber die Neugier war größer und besiegte meine Schüchternheit und ich stehe dafür ewig in ihrer Schuld.

Ich ahnte, daß da noch einige Erfahrungen zu machen waren, die nur auf mich warteten. Ich nahm also all meinen Mut zusammen und mußte als erstes  Überzeugungsarbeit bei meinen Eltern leisten. Sie waren sehr besorgt, weil man doch so viel Negatives aus aller Welt hörte. Für meine Eltern war die Welt schlecht und so mußte ich schon Durchsetzungsvermögen beweisen noch ehe ich überhaupt unterwegs war. Zunächst mußte ich das Geld für die Reise zusammen bekommen.

Ich verkaufte erst meine Enduro und dann mein Auto. Aber es reichte immer noch nicht. Ich arbeitete also für drei Monate in einer Fabrik. Die Arbeit war körperlich  sehr anstrengend und oft genug fiel ich nach zwölf Stunden Maloche nur noch müde ins Bett, um dann um 5.30 wieder zur Frühschicht aufzustehen. Manchmal überstand ich die Prozedur der täglichen Maloche nur mit dem Gedanken an die schillernde Zukunft. Die Arbeit machte mich stark, nicht nur körperlich. Sie bestärkte mich auch in dem Gedanken, daß ich später einmal keine Arbeit wie diese machen wollte.

Ich wollte mein Geld mit Köpfchen verdienen und nicht mit Schwitzen. Nach den drei Monaten „Steinbruch“ hatte ich die stolze Summe von fast 10.000 DM erarbeitet. Das mußte reichen für ein Jahr unterwegs. Das Geld bereitete mir jedoch nicht nur Freude. Irgendwie überkam  mich ein mulmiges Gefühl soviel Geld mit mir herumzuschleppen. Schließlich waren andere schon für weit weniger Geld erschlagen worden. Ich dachte also darüber nach, wie ich das Geld und mich vor derartigen Gewaltübergriffen schützen konnte.

Zeit

Die Zeit fliegt dahin

doch wo bleibt der Sinn?

Hinter bierernsten Masken

suchen Spießer nach Anerkennung.

Eine Belanglosigkeit reiht sich

an die andere, während die Zeit

tiefe Spuren in meinem Gesicht hinterläßt.

Und ich frage mich: warum?

von Mathias Bleckmann 2006

Zauberhaft

Neue Märchen hab ich erfunden.

Für jeden Prinzen einen Kuss.

Lass Deine Seele gesunden.

Für jeden Zauberer ein Muss.

Mach mit mir verrückte Sachen.

Nimm mich in Zauber-Haft.

Lass uns zusammen lachen

Bis wir Sterne sehen in der Nacht

Ohne Dich wüsst` ich nicht wohin.

Du gibst mir Mut.

Ohne Dich hat das Leben keinen Sinn.

meine Seele auf Entzug.

Du bist mein einziger Gedanke.

Ich zeig dir meinen Zauberstab,

Verzauberst mich jeden Tag.

Lass mich dein Traumtänzer sein

in unserem Schloss aus Luft.

Trinken wir den vergifteten Wein

mit dem anmutigen Duft.

Egal wo du gerade bist,

schlägt mein Herz für Dich.

Wenn Du mich ansiehst,

bin ich überglücklich.

Ohne Dich wüsst` ich nicht wohin.

Wenn ich´s brauch, gibst du mir Mut.

Ohne Dich wär mein Leben ohne Sinn.

Und meine Seele auf Entzug.

Ich lieb Dich vom Aufstehen

Bis wir nicht ins Bett gehen

Als Decke geb ich dir den Sternenhimmel

Bette Deinen Kopf auf meine Träume.

Ich deck Dich mit dem Sternenhimmel zu

Ich kann dich hören,

auch wenn du schweigst.

Deine Gedanken kann ich lesen,

selbst wenn Du sie keinem zeigst.

Wir sind alle Sternenstaub

Allein aus Licht gebaut

Hast Du mich verdient, wie ich Dich auch?

Was weiß ein Igel von Liebe?

Warum sitzen Dornen am Rosenstrauch?

Siehst Du die neuen Triebe?

Was weiß ein Igel von Liebe

Der Frühling vergisst nie

Siehst Du die Triebe

Wie tief gehen deine Gefühle wie

Mein Leben nur Selbstbetrug

In meinem Leben

gehört Dir mein letzter Gedanke

Hast mir alles gegeben

Wofür ich Dir ewig Danke.

Bist für mich alles auf der Welt.

Allein im Bett find` ich keine Ruh.

Alles was ich brauche, bist Du.

Wenn Du fort bist,

ernähre ich mich von Erinnerung.

Ich weiß genau, was ich an Dir hab.

Ich kann nicht mehr ohne Dich sein.

Ohne Dich wüsst` ich nicht wohin.

Wenn ich´s brauch, gibst du mir Mut.

Ohne Dich wär das Leben ohne Sinn.

Und meine Seele auf Entzug.

von Mathias Bleckmann 2006

Unbekannter Raum

Deine Blicke

zielen direkt in mein Herz.

Wenn Du lächelst,

vergesse ich jeden Schmerz.

Deine Worte

gehen mir unter die Haut,

sie klingen fremd

und doch sehr vertraut.

Deine Nähe

läßt mich intensiver leben.

Schon bevor wir uns kannten,

war ich Dir ergeben.

Die Berührung Deiner Haut

macht es mir schwer.

Mich dagegen zu wehren,

funktioniert nicht mehr.

Deine Schönheit

wickelt mich ein.

Und doch bin ich froh,

Dein Gefangener zu sein.

Du hast eine neue Tür

in mir aufgetan,

ein neues Zuhause

hell und warm.

Dieser Raum

steht Dir immer offen,

erstrahlt nur durch Dich

und mein Hoffen.

Flieg´mit mir

zu den Sternen.

Was Du willst,

Ich werde es lernen.

© Copyright Mathias Bleckmann 2005

Von Flecken und Erinnerungen

Nichts wird mehr so schmecken wie früher. Die Farben verblassen und ein Gefühl von Unendlichkeit breitet sich in meinem Bauch aus. Unbequeme Hoffnung fällt aus allen Wolken, desillusioniert sitze ich wieder auf dem harten Boden der Tatsachen. Ich habe es mir so gewünscht, daß sie kommt; konnte die Entfernung zwischen ihr und mir kaum noch ertragen.

Dieses Gefühl von Vertrautheit und Nähe zu lange vermißt. Ich komme mir vor wie ein halber Mensch, der auf Entzug von seiner anderen Hälfte gesetzt wurde.

Ein Stuhl nimmt mir die Luft zum Atmen. Einen Stuhl hat sie zwischen uns geschoben. Was für eine Ausrede! Ein Stuhl ist ein Gebrauchsgegenstand, der beim Gebrauch verschleißt. Natürlich ist ein Fleck ärgerlich, aber ist ein Fleck ein Grund, um nicht zu kommen?

Ich weiß, wie das ist: man möchte am liebsten den Fehler rückgängig machen. Aber je mehr man versucht, den Fleck zu entfernen, desto größer wird er. Genauso ist das auch mit Gefühlen, die man sich versucht auszureden. Je weniger man davon wissen will, umso stärker kommen sie zurück.

Natürlich ist so ein alter Stuhl wertvoll, aber der ideelle Wert ist ja nicht einmal beschädigt worden. Glücklicher alter Stuhl. Wenn ich daran denke, das sie ihn jetzt berührt und er ihr nahe ist, geht es ihm wesentlich besser als mir. Wer entfernt die Flecken auf meinen Gefühlen?

Ein alter Stuhl ist ihr offensichtlich wichtiger als mit mir zusammen zu sein! Das ist hart. Hätte sie lieber gesagt, daß sie keine Lust hatte zu kommen. Oder soll sie mir klar sagen, daß ich sie nicht mehr anrufen soll. Dann weiß ich wenigstens woran ich bin, aber ein Stuhl? Hätte sie gesagt, daß ich kommen soll – ich wäre gekommen, keine Frage. Schließlich habe ich mir heute freigenommen.

Vielleicht hat sie Angst davor, wie es weitergehen soll? Ich habe selbst große Angst und keine Ahnung wie es weitergeht…

Ob ich etwas vorbereitet hätte? Natürlich hatte sich jede Faser meines Körpers darauf gefreut, sie zu sehen, zu riechen, zu spüren.  Meine Seele hatte sich darauf vorbereitet, eine kleine Ewigkeit mit einem Seelenfreund zu verbringen, wieder eins zu sein mit der lange vermißten anderen Hälfte. Nur hätte ich ihr das am Telefon unmöglich sagen können. Vielleicht hätten wir irgendwo etwas gegessen, wären in der Stadt umhergelaufen, hätten im Kaufhaus herumgealbert oder wären ins Kino gegangen. Was wir gemacht hätten, wäre mir fast egal gewesen. Nur an ihrer Seite wollte ich sein.

Ich kenne das, wenn man etwas ungeschehen machen will. Man steigert sich da hinein und vergißt alles um sich herum. Ich bin selbst so und kenne das nur zu gut. Deshalb kann ich ihr nicht einmal richtig böse sein. Schließlich bringt sie mich wieder dazu, zu schreiben. Schon wieder ertappe ich mich dabei, die Handlungen von anderen zu entschuldigen.

Aber was bleiben wird, ist die Enttäuschung, weniger wert zu sein als ein Stuhl. Nicht einmal angerufen hat sie, wie versprochen. Was bin ich für sie? Komme ich in ihrem Buch vor, das sie schreibt? Habe ich nur einen Gastauftritt oder vielleicht eine Nebenrolle? Fragen, die mich beschäftigen.

Ich werde das Telefon einige Zeit nicht in die Hand nehmen. Zu groß ist mir die Enttäuschung noch ins Gesicht geschrieben und zu groß ist die Versuchung, alles kaputt zu machen. Gibt es da überhaupt etwas, das kaputt gehen kann oder habe ich mir das alles nur so sehr gewünscht, daß es mir wie Wirklichkeit vorkam? Alles, was ich habe, ist die Vorstellung von diesem heutigen Tag, wie er vielleicht ausgesehen hätte.

Ich werde in den nächsten Tagen ein bischen auf Distanz gehen – zu mir selbst. Nicht, daß ich es wirklich wollte, nein, einfach nur, um herauszufinden, was ich eigentlich will. Ich bin gespannt auf die Antworten.

Und selbst wenn nichts passiert, wird dieser Tag doch als makelloser (fleckenloser) Tag in meiner Erinnerung bleiben, so wie man vielleicht den Fleck auf dem Stuhl immer ein bischen sehen wird…

von Mathias Bleckmann

Total normal

Niemand wird sich an mich erinnern

Ich fand nirgendwo statt

Ich werde es noch verschlimmern

dieses flache Leben habe ich so satt

Wie ein Furz am Arsch der Weltgeschichte

Ohne Getöse und Gestank

Niemand erinnert sich meiner Gedichte

Ist das nicht krank?

Ich bin nie Hubschrauber geflogen

Was für ein herrlicher Spaß

Blieb lebendig ungeboren

Ohne Liebe ohne Hass

In meinem tiefsten Innern

Hab ich die besten Filme gemacht

Aus meinen Träumen

Bin ich nie erwacht

Vor Angst ganz starr und steif

War ich fürs Leben niemals reif

Habe mich geschickt

Vor mir selbst gedrückt

Kein Menschenleben habe ich gerettet

Am wenigsten mein eigen

Niemals einen Baum gepflanzt

Weder Zitronen noch Feigen

In allem hab ich mich verzettelt

Immer aus der Reihe getanzt

Geerntet habe ich weder Rum noch Geld

Dabei nur hinter Ausreden verschanzt

War nie ein großer Dichter und Denker

Alle Weisheiten für mich behalten

Erst recht kein Freude-Schenker

Gehör jetzt zu den unnützen Alten

Als durchlaufender Posten von Brust und Steuer abgesetzt

Mich ein Leben lang für Anerkennung abgehetzt

Immer mir selbst im Wege gestanden

Immer zu wenig von allem vorhanden

Nie wird mein Name in einem Abspann stehen

Ließ zu viele Tage einfach mit Nichtstun vergehen

Ich bin ein Nichts

Ein 08/15 Mann

Otto-Normal-Verbraucher

Der Euro Durchschnittsmann

Ein Looser, wie er im Buche steht

Dem alles Wichtige entgeht

Bieder bis zur Selbstaufgabe

Völlig talentfreie Zone

Jeder Klingelton

Hat mehr davon

Bin so blass und deprimiert

Lebe mittel und mäßig inspiriert

Weder Höhen noch Tiefen

Hab ich je erlebt

Zu gern hätt ich gespürt

Wie unter meinen Füßen die Erde bebt

In meiner 08/15-Montur

Tauge ich nicht mal zur Witzfigur

Ein einziges Missverständnis

Halte ich für mein Leben

Ich hab nichts Aufregendes zu erzählen

Es passiert ja nichts

Viele aufregende Dinge Gott ersonn

In meiner Rolle steht nichts davon

© Mathias Bleckmann 2004

Betroffen

Gerade den Dreck aus dem Gesicht gespült,

nur die Ohren noch voll davon.

Ich höre es noch

und es macht mich noch immer betroffen.

Warum habe ich mir diese Wut geschaffen ?

Ich schreibe mir die Wut und die Betroffenheit aus den Fingern.

© Mathias Bleckmann 2004